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AutorenbildRoger Blum

Meeresarchäologie am Schifffahrtsmuseum Rostock (1968/69)

Nachdem 1966 das Schifffahrtsmuseum im Rostock gegründet wurde, ist bereits im darauffolgenden Jahr die Sektion für Meeresarchäologie des Wissenschaftlichen Rates des Schifffahrtsmuseums Rostock gegründet worden. Die Mitglieder der Sektion begannen mit der Registrierung von Unterwasserfundstellen und führten notwenige Arbeiten von der Vermessung bis zur Konservierung von Funden für das Schifffahrtsmuseum durch. Die Sektionsmitglieder waren ehrenamtlich tätig. Zu ihnen gehörten Günter Lanitzki, Redaktionsmitglied der DDR-Taucherzeitschrift „Poseidon“ und Autor mehrerer Bücher zum Thema Unterwasserarchäologie, sowie Dr. Wolfgang Rudolf (1923–2014). Letzterer leistete herausragende Arbeit bei der Identifizierung von Schiffswracks an der Ostseeküste der DDR. 1958 gründete er das Sassnitzer Stadtarchiv und wurde nach dem Studium der Volkskunde wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsche Volkskunde an der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Dort war er für die Erforschung der maritimen Kultur verantwortlich. Rudolph sammelte und dokumentierte Überlieferungen zur Seefahrts- und Fischereigeschichte und beschäftigte sich mit der systematischen Erfassung von Schiffsuntergängen. So entstand eine umfangreiche Kartei, die noch heute eine wichtige Grundlage zur Suche und Identifizierung von Schiffswracks bietet.


Wrackreste am Grund der Ostsee, 1966


Die Sektion für Meeresarchäologie führte am 20. und 21. Januar 1968 ihre erste Tagung durch. Sie stand unter dem Thema „Meeresarchäologie im System der sozialistischen Geschichtsforschung“. Die Veranstalter wollten damit die Sektionsmitglieder weiter an unterwasserarchäologische Probleme heranführen und zur engeren Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und archäologisch interessierten Sporttauchern beitragen.

Etwa 50 Teilnehmer nahmen an der Tagung teil. Dr. Wolfgang Rudolph referierte zum Thema „Die volkskundliche Inventarisation der Boote und kleinen Frachtfahrzeuge an der südlichen Ostseeküste“, der Diplom-Geologe Winfried Gebhardt aus Rostock zur „Vermessungstechnik unter Wasser“ und der Leiter des Stadtarchivs Stralsund, Dr. Herbert Ewe, zum Thema „Archivarbeit – Teilaufgabe der Meeresarchäologie“. Peter Herfert vom Kulturhistorischen Museum Stralsund stellte den Schiffsfund von Ralswiek vor und Günter Lanitzki hielt einen Vortrag zur „Meeresarchäologie im Ostseeraum“. Wissenschaftler und Taucher kamen sich im Rahmen der Tagung näher und es wurden Absprachen über eine künftig engere Zusammenarbeit mit dem Institut für Deutsche Volkskunde bei der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, zur Außenstelle des Museums für Vor- und Frühgeschichte Schwerin und zur vor- und frühgeschichtlichen Abteilung des Kulturhistorischen Museums Stralsund getroffen. Die Konferenz sollte deutlich machen, dass in der DDR fortan mit einer zielgerichteten und organisierten unterwasserarchäologischen Arbeit begonnen wird.

Im Jahre 1968 wurde im Auftrag des Schifffahrtmuseums Rostock das Wrack des finnischen Dreimastschoners „JANNE“ untersucht. Das Schiff war in der Nacht vom 13. zum 14. November 1930 am Strand von Dierhagen gestrandet. Das Wrack wurde vermessen und einige Teile des Schiffskörpers geborgen.

Auch beteiligten sich Tauchereinheiten der Marine unter der Leitung von Fregattenkapitän Horst Förster seit 1968 an der Sondierung von verschiedenen Schiffswracks an der Nordwestküste von Rügen. Zu den erkundeten Wracks gehörten auch die Überreste eines vor Varnkevitz in der Nähe von Kap Arkona gestrandeten Schiffes, welches Mitte der 1960iger Jahre entdeckt wurde. Aus dem Wrack hatten Taucher Meißner Porzellan und englisches Steingut geborgen, das mit chinesischen Motiven verziert war. Die Informationen zu den Wracks und geborgene Fundstücke gelangten in das Kulturhistorische Museum von Stralsund. Das Wrack von Varnkevitz wurde später als die am 6. Oktober 1805 gestrandete russische Brigg „DISPATCH“ identifiziert. An Bord der Brigg befand sich Konteradmiral Gawriil Sarytschew (1763–1831), einer der bedeutendsten europäischen Hydrographen der damaligen Zeit, Polarforscher und Begründer der polaren Archäologie.

Die Rostocker Taucher lokalisierten in der Folgezeit weitere Wracks, u.a. ein Strandungswrack vor Nienhagen, das etwa 150 bis 200 m vor der Küste auf 5 m Tiefe lag. Der Anker und die zum Wrack verlaufende Ankerkette ließen darauf schließen, dass der Kapitän damals den Anker werfen ließ, um eine Strandung zu vermeiden. Die Bootsschale und Teile der Takelage waren noch gut erhalten. Das Wrack wurde 1988 als die norwegische Brigg „NISSEN“ identifiziert.

1969 erfolgte eine wissenschaftliche Tagung am Schifffahrtsmuseum Rostock zum gegenwärtigen Stand der unterwasserarchäologischen Untersuchungen. An der Tagung nahmen auch Wissenschaftler aus anderen Ländern teil. Grundgedanke aller Überlegungen war, dass ein Schifffahrtsmuseum neben der Unterstützung durch Seeamt und Fischereibetriebe zur systematischen Forschung vor allem auf Taucher angewiesen ist.

Nach den ersten erfolgreichen Prospektionen und der internationalen Tagung im Schifffahrtsmuseum Rostock erlitt die Unterwasserarchäologie an der DDR-Ostseeküste allerdings ein schnelles Ende. Grund dafür war die Verschärfung der DDR-Grenzbestimmungen. Bis auf wenige Ausnahmen war die für die darauffolgenden zwanzig Jahre für taucharchäologische Arbeiten unzugänglich. Von Beobachtungstürmen aus mit Ferngläsern und im Streifendienst kontrollierten bewaffnete Postenpaare der Grenzbrigade „Küste“ die Strände. Volkspolizei und örtliche Polizeihelfer waren ebenfalls zur Grenzüberwachung eingesetzt. Zu viel Angst hatten die DDR-Oberen, dass sich jemand heimlich aus dem Land absetzen könnte. Die starken Restriktionen hatten letztlich zur Folge, dass nur wenige Wracks erkundet werden konnten.


Erkundung eines Wracks vor Ahrenshoop

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